Die Tage sind so voll. So viele Gespräche und Erlebnisse, kaum möglich, all das festzuhalten.
Aufbruch, Stolz, Zufriedenheit, Armut, Aussichtslosigkeit, Trauer, Schönheit, Kontinuität, Frust, Ehrlichkeit, Visionen, Ängste, Sorgen, Zusammenhalt.
All das gefühlt, gesehen, gehört ... an einem einzigen Tag.
Wir sind gestern Abend mit dem Bus in Campina Grande angekommen und übernachten im Kloster, in dem Frei Wellington lebt. Beim Frühstück treffen wir einen alten Freund von Beda, Udo und dem Aktionskreis: Frei Anastasio. Kurz danach geht es los. Frei Wellington möchte uns die Comunidade Sao Jose zeigen – eine Organisation, die ausschließlich von Ehrenamtlichen geführt wird und seit vielen Jahren das Leben im Viertel verbessert.
Die Frauen berichten voller Stolz, was sie alles erreicht haben. Ihre Motivation:
„Wir haben in unserem Leben viel Gewalt erleben und sehen müssen – Tote auf dem Gehweg, Kinder und Jugendliche, die durch Drogen in die Kriminalität geraten sind. Wir wollen eine andere Welt für
unsere Kinder.“
Dafür kämpfen sie mit verschiedenen Angeboten. Die Kinder sind eine Gemeinschaft, passen aufeinander auf und berichten mit Stolz von Medaillen beim Karate und ihren Erfolgen beim Fußball.
Danach geht es weiter. Frei Wellington wird gebeten, eine Familie zu besuchen – gemeinsam mit einer Sozialarbeiterin, um zu schauen, wie man helfen kann. „Ihr müsst auch die Realität des Lebens hier sehen“, sagt er. Doch was uns erwartet, ist schwer zu ertragen: ein Haus voller Mängel. Ein Mann im Rollstuhl, ein junger Mann im Bett und eine ältere Dame. Essen auf dem Boden, ein unangenehmer Geruch, das Haus völlig verwahrlost.
Der Mann kann schon lange nicht mehr laufen und wurde bisher von seiner Frau gepflegt. Der junge Mann im Bett – ihr Neffe – ist drogenabhängig, und die ältere Frau hat nach zwei Entzündungen ein Bein und drei Zehen amputiert bekommen. Noch immer leidet sie unter einer Entzündung. Sie sagt, dass sie sich oft nicht mehr erinnern könne, was gestern war, und sie sieht kaum noch.
Die Situation im Haus ist nachvollziehbar – und voller Schmerz. Auch Frei Wellington bleibt ratlos zurück. Wir beten gemeinsam. Denn was bleibt diesen Menschen, wenn nicht der Glaube daran, dass es jemanden gibt, der ihnen hilft? Wer kommt zu diesen Menschen? Hier sind es die Kirchen, die ihnen die Kommunion bringen, nachfragen, wie es ihnen geht, und versuchen, Wege zu finden, um ihre Lage zu verbessern. Der Besuch, der Segen – ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Wir lassen eine kleine Tüte mit Lebensmitteln da – zu viel darf es nicht sein, erklärt Frei Wellington. Ihr Neffe würde es sonst verkaufen, um seine Sucht zu finanzieren. Was können wir tun? Sie brauchen auf jeden Fall einen zweiten Rollstuhl – und alles Weitere …
Viel Zeit zum Nachdenken bleibt uns nicht, denn es geht direkt weiter zum Casa da Criança – einer Kinderkrippe für 0- bis 6-Jährige aus Familien mit großen Herausforderungen. Als wir ankommen, liegen 250 Kinder in ihren Betten und machen Mittagsschlaf. Betania und Isabell zeigen uns alles, insbesondere den Gemüsegarten, der im Rahmen des Projekts „Solidarität verbindet!“ entstanden ist und bis heute frisches Gemüse für die Kinder liefert – teilweise sogar genug, um etwas zu verkaufen. Das Projekt funktioniert nur dank vieler Ehrenamtlicher und unzähliger Sachspenden.
Von dort aus geht es weiter zu Promoção Humana. Während die Kinder zur Schule gehen, bietet die Organisation verschiedene Kurse für Frauen an. Ein besonderes Angebot ist die Unterstützung von Schwangeren und die Versorgung von Neugeborenen. Es gibt Kurse für werdende Mütter, medizinische Betreuung während der Schwangerschaft sowie Nachsorge und Untersuchungen der Neugeborenen. Auch hier läuft fast alles ehrenamtlich – die Ärztin arbeitet schon seit 30 Jahren dort.