In ihrem Theaterstück „Das Kakteen-Kreuz“ erzählen die brasilianischen Jugendlichen vom harten Leben einer Landarbeiterfamilie im Nordosten des Landes. Fotos: Alichmann
Bad Bentheim-Bardel. Das Leben in Brasilien ist eben doch ein ganz anderes: Armut, Krankheit, soziale Ausbeutung und fehlende Bildung bestimmen den Alltag vieler Familien.
Was das bedeuten kann, wollen 13 brasilianische Jugendliche aus dem Hilfsprojekt „Verde Vida“ des Aktionskreises Pater Beda während ihres knapp siebenwöchigen Partnerbesuches
in Deutschland verdeutlichen: In öffentlichen Auftritten bei Vorträgen, Gottesdiensten, in Schulen und Versammlungen wollen die Jugendlichen dem Publikum die Kultur und die Probleme ihres
Heimatlandes vor Augen führen. Rollenspiele, Musik- und Tanzaufführungen sollen den Zuschauern ein Bild vom Leben im fernen Brasilien vermitteln.
Im Mittelpunkt steht dabei das Theaterstück „Das Kakteen-Kreuz“, das vom Leben einer armen Landarbeiterfamilie in der Trockenzone Brasiliens erzählt. Die Inszenierung haben die jungen
Brasilianer im Alter von elf bis 25 Jahren seit vielen Monaten in ihrem Heimatland unter Leitung des Künstlers Marcos Xenofonte einstudiert. Kostüme und Requisiten haben sie selber gebastelt
und mit nach Deutschland gebracht.
13 junge Brasilianer aus dem Förderprojekt „Verde Vida“ sind momentan zu Besuch im Kloster Bardel.
Die Jugendlichen freuen sich auf ihre Auftritte, sind hochmotiviert: „Alle Mädchen und Jungen, die jetzt hier sind, haben wirklich Spaß an der Arbeit am Theaterstück“, machte Pater Beda
deutlich.
Mehrere Tage hat die brasilianische Truppe nun schon im Kloster Bardel, wo sie am vergangenen Dienstag angekommen ist, geprobt. Heute findet die Premiere des „Kakteen-Kreuzes“ in einer Schule
in Wesel statt. Es folgen zahlreiche Auftritte in der Umgebung. Unter anderem wird die Gruppe am Samstag, den 15. September (17.30 Uhr, 19 Uhr) und am Sonntag, den 16. September (8 Uhr, 9.30
Uhr, 11 Uhr) in der Pfarrgemeinde St. Agatha in Epe zu sehen sein. Bei allen Vorstellungen bittet die Gruppe um eineSpende. Von dem Erlös soll der Kauf eines Grundstückes und der Bau einer
Bäckerei finanziert werden. Diese soll vor Ort zur Eigenversorgung, zum Unterhalt der Projektaktivitäten und als Arbeits- und Ausbildungsstätte für die Jugendlichen dienen.
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Von Freitag bis Sonntag konnten im Großwelzheimer Pfarrheim die sozialkritischen Bilder von Xenofonte in einer Ausstellung betrachtet und gekauft werden. Schließlich dient der Besuch der Gruppe
in Deutschland, der von Mitte August bis Anfang Oktober dauert, dazu, Geld für den Grundstückserwerb und den Gebäudeneubau einer Bäckerei zu schaffen. Die komplette Einrichtung für die wichtige
Institution hat das Projekt bereits von einer deutschen Großbäckerei gespendet bekommen.
»Verde Vida« wurde 1994 von Xenofonte gegründet und ist ein Hilfs- und Förderprojekt für Kinder und Jugendliche im Nordosten Brasiliens. »Am Anfang waren die Leute misstrauisch«, erzählt Pater
Beda, der vor 50 Jahren als Theologiestudent nach Brasilien kam. Mittlerweile kommen immer öfter Eltern und fragen, ob ein Platz für ihr Kind frei ist. Momentan werden dort 85 Kinder und
Jugendliche im Alter zwischen fünf und 19 Jahren betreut.
Beda, der in seinen Bemühungen beim Karlsteiner Gerhard Heßberger Unterstützung findet, wird nicht müde, sich für die armen Menschen in Brasilien einzusetzen.
Vom Elend der Landbevölkerung
Den Karlsteiner Abend moderiert er nicht nur, er fügt sehr persönliche Episoden ein, die der heute in Kloster Bardel Lebende bei seinen zahlreichen Besuchen ständig erlebt. »Der Fortschritt in
Brasilien geht an den Armen vorbei«, kritisiert er und schildert drastisch, wie sich die Kluft zwischen den Armen (auch im Sinne von bildungsarm) und den Reichen immer weiter vergrößert.
Von den problematischen Lebensumständen handelt auch das Stück »Das Kakteenkreuz«, das die zwölf Kinder und Jugendlichen mit ihrem Projektleiter erarbeitet haben. Sie stellen korrupte Politiker
dar, das Elend und den Hunger der Landbevölkerung, den Missbrauch der Mädchen durch Touristen, der Wunsch nach dem Vergessen des Alltags durch das Einatmen von Klebstoffgasen.
Dazwischen zeigt Pater Beda Dias von Brasilien, dem zweitgewalttätigsten Land der Welt nach Kolumbien, benennt einen der jungen Männer auf dem Foto und berichtet, dass er kürzlich ermordet wurde
- der fünfte Tote in diesem Jahr aus dem Projekt »Verde Vida«.
Szenenwechsel finden auch auf der Bühne statt. In prächtigen Kostümen, glitzernd und an den Karneval von Rio erinnernd, präsentieren die Gäste rasante Tänze, die ernste Hintergründe haben: den
Capoeira, den Befreiungstanz der Sklaven, oder den Tanz mit Schlagstöcken, den Maculele. Dabei wirbeln die Gruppen nur so über die Bühne, zeigen akrobatische Figuren, lassen die Stöcke meterweit
fliegen und lachen und strahlen dabei. Schönstes Beispiel für die Begeisterung, die von den Gästen auf das Publikum überspringt, ist der Maracatu, der Tanz zur Krönung eines Negerkönigs. Sogar
mit einigen deutschen Sätzen haben die Brasilianer ihre Aufführung angereichert. Am Ende der Inszenierung bereichert dies die Schlüsselszene: Pater Beda sagt den ausbeuterischen Politikern
deutlich die Meinung, nimmt dem kleinen Jungen auf dem Acker die Hacke aus der Hand und drückt ihm stattdessen Bleistift und Schulbuch in dieselbe als Zeichen für eine bessere Zukunft. »Geh in
deine Schule«, sagt er dem Kind mit bewegter Stimme.
Der Kleine hat nun - im Stück und im echten Leben - die Chance, über das Projekt »Verde Vida« ein Stück aus dem Elend herauszukommen. Mit einem jubelnden »Danke, danke, danke« rennt der Junge in
das Schulhaus.
Doris Huhn
Traum und Hoffnung für Kinder und Jugendliche auf dem Sitio Catingueira.
(Sitio = Bauernhof, kleines Landgut)
Das Projekt VERDE VIDA ist eine Einrichtung, in dem Würde und Selbstbewusstsein von Kindern und Jugendlichen aufgebaut und gefördert wird. Es befindet sich auf einer Fläche von 2 Hektar auf
dem Sitio Catingueira, im Distrikt von Ponta da Serra, circa 20 km von der Stadt Crato (im Bundesstaat Ceará) entfernt.
Die Idee dieses Projekt zu gründen entstand im Jahr 1996, als festgestellt wurde, dass die Kinder aus dem Ort der Schule fern blieben, um mit den Eltern auf dem Feld zu arbeiten. Sie hatten daher
nur geringen schulischen Erfolg und es gab keine Möglichkeiten der Freizeitgestaltung in ihrer Gemeinde oder sonstige Alternativen für ihre Entwicklung.
Durch Verde Vida ist heute Fortschritt in den Familien und Kleindörfer spürbar
Es war der Künstler und Sozialarbeiter Marcos Xenofonte, der sich dieser Kinder annahm. Er stammt aus der Gegend und unterrichtete bereits einige Jugendliche im Kunsthandwerk auf
seinem Anwesen. Mit Überzeugungsarbeit begann er die Familien zu bewegen ihre Kinder im Malen und der Anfertigung von Kunsthandwerk unterrichten zu lassen. Der regelmäßige Besuch der Schule war
Bedingung. Nur so erhielten die Kinder auch Mahlzeiten und schulische Nachhilfestunden. Der Erlös aus dem Verkauf der hergestellten Arbeiten sollte der Unterhaltung des Sitios dienen und zu einem
anderen Teil den Familien zugute kommen. Zu Beginn gab es Widerstand. Dieser legte sich aber, als die Familien erkannten, dass ihre Kinder bessere Ergebnisse in der Schule erzielten. (Die meisten
Familien des Ortes sind heute bereits in die Produktion von Kunsthandwerk einbezogen)
Kunsthandwerkliche Gegenstände werden aus Naturmaterialien gefertigt
Das Projekt VERDE VIDA besuchen heute 85 Kinder, praktisch alle aus dem örtlichen Bereich. Es gibt 2 Leitungskräfte und 2 Betreuer. Zusätzliche Unterstützung leisten freiwillige
Kräfte, die hauptsächlich aus Deutschland kommen. Im Projekt wird schon am Vormittag mit unterschiedlichen Gruppen gearbeitet, in einem System wechselnder Tätigkeiten. „Die Teilnehmer werden in
alle Aktivitäten des Projektes eingebunden und wenn sie für Musik oder plastische Kunst mehr Geschick zeigen, sind sie noch eifriger dabei,“ sagte Genivan, der von Anfang an Betreuer im Projekt
ist.
Neben der schulischen Nachhilfe erlernen die Kinder auf dem Sitio Kunsthandwerk, haben sportliche Betätigung und Anleitung in der Gartenarbeit und bei der Zucht von Zierfischen. Die Erziehung zu
Umweltbewusstsein und Tanz, sowie die Bedeutung von Hygiene und Gesundheit sind weitere Themen. Sie machen Musik im eigenen Orchester und einer Band, die Forró (typische Musik im brasilianischen
Nordosten) und andere Volksmusik spielt.
Es ist eine Freude die Buben und Mädchen auf dem Sitio zu sehen, wie sie Farben mischen, Formen gestalten, und den Musikinstrumenten Töne entlocken. Dabei haben sie glänzenden Augen und ein
Lächeln auf den Lippen. Robério, der auch Lela genannt wird ist 17 Jahre alt, und seit seinem 7. Lebensjahr im Projekt. Er meinte, wenn es das Projekt nicht gäbe, wüsste er nicht, womit er sich
beschäftigen könnte. Er wäre nur zu Hause ohne etwas zu tun. „Hier hat mich die Malerei interessiert und ich lernte ein Instrument (Bass) spielen. Gerne würde ich einmal Deutschland
besuchen.“
Die Familien treffen sind häufig zu Unterweisungen auf dem Projektgelände
Edvânia, genannt Fofa ist 14 Jahre alt. Sie ist Sängerin die in der Band und spielt auch Keyboard. Sie hatte die Idee, dass eigentlich noch mehr Kinder im Projekt sein könnten und hob hervor,
dass es auf dem Sitio viel Gemeinschaftsarbeit gibt. „Die Arbeit wird nicht eingeteilt speziell für Buben oder Mädchen. Hier spülen auch die Buben das Geschirr ab“.
Auf dem Gelände des Sitios gibt es einen Sportplatz und durch die Projekt-Initiative wurde auch eine Kapelle in Gemeinschaftsarbeit für die Gemeinde gebaut. Hier werden wichtigen
Festlichkeiten wie die Erst-Kommunion der Kinder des Ortes gefeiert. Die Mittel für die Unterhaltung des Projekts werden bereitgestellt durch Spenden der Franziskaner aus Deutschland und dem
Verkauf der im Sitio hergestellten Waren. Das Projekt erhält auch 500 Reais (Landeswährung, ca. 200 Euro) vom Haushalt der Stadt Crato für die Verköstigung der Kinder. Genivan sagte, dass diese
Mittel aber nicht ausreichen. „Große Schwierigkeiten haben wir eine Spende aus dem Ausland, eine komplette Orchester-Ausrüstung, ins Land zu bekommen. Sie wird seit mehr als 2 Jahren im Hafen von
Mucuripe (Fortaleza) zurückgehalten und wir können deren Freigabe nicht bewerkstelligen. Aber, wir kämpfen weiter, um unsere Ziele zu erreichen.“
Die Kinder und Jugendlichen des Projektes VERDE VIDA sind Geschöpfe ihrer Heimat, des Trockengebietes im Nordosten. Sie sind voller Hoffnung, und leben gerne hier, um zu arbeiten, zu spielen und
glücklich zu sein.
Pater Beda spricht zu Jugendlichen nach einem Gottesdienst
Text: Dankschreiben für die Spende aus einer Sternsinger-Aktion der kath. Kirchengemeinde St. Jakobus in Hanau-Großauheim.
Das Schreiben aus dem Projekt Vede Vida (Projektnummer P71L) wurde über das Kindermissionswerk der Gemeinde zugestellt.
Januar · 2007